
Aktuelles
Aktuelle Urteile & Leitsätze
Nobody is perfect!
Wie in vielen Rechtsbereichen befindet sich auch das Steuerrecht im stetigen Wandel. Da Gesetzesänderungen oft einige Vorbereitungs- und Umsetzungszeit benötigen, sind gerade die Gerichtsurteile und daraus entstehenden Leitsätze besonders relevant für die Bewertung konkreter Sachverhalte.
Hier informieren wir Sie über die aktuellen Gerichtsurteile und Leitsätze.
Februar 2023
LG Berlin, Urt. v. 27.9.2022 – 103a O 1/21
- Lohnbuchhaltung
- GmbH-Geschäftsführer
- Sozialversicherungspflicht
Leitsätze:
Die Hinweispflicht des Steuerberaters zu sozialversicherungs- rechtlichen Problemen dient nicht der Kontrolle paralleler anwaltlicher Beratung.
(LG Kiel, Urt. v. 16.6.2022 – 6 O 315/21)
- Lohnbuchhaltung
- GmbH-Geschäftsführer
- Sozialversicherungspflicht
- Schaden
Leitsätze:
Macht ein Sozialversicherungsträger aufgrund der bislang nicht erkannten Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers Nachforderungen geltend und verlangt die GmbH von ihrem Steuerberater Ersatz der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, so hat die GmbH – unabhängig von der Frage des Bestehens einer Pflichtverletzung des Steuerberaters – im Rahmen ihres Vortrags zum Schaden alle ihr entstandenen Vorteile darzulegen. Hierzu gehören insbeson- dere eine geminderte Steuerlast und die ersparten Sozialversicherungsbeiträge in der Vergangenheit.
(LG Kiel, Urt. v. 23.6.2022 – 6 O 275/20)
- Lohnbuchhaltung
- GmbH-Geschäftsführer
- Feststellungsklage
- Anscheinsbeweis
- Sozialversicherungspflicht
Leitsätze:
Hat eine GmbH weder eine rechtliche Beratung noch die rechtliche Begründung aus einem Bescheid des Sozialversicherungsträgers zum Anlass genommen, ihre organisatorische Struktur in einer Weise zu verändern, dass daraus die Sozial- versicherungsfreiheit für ihren Geschäftsführer folgen würde, greift zu ihren Gunsten nicht der Anscheinsbeweis beratungsrechten Verhaltens, wenn der Steuerberater sie auf die sozial- versicherungsrechtliche Problematik hingewiesen hätte.
August 2022
OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.5.2020 und 6.7.2020 – 11 U 109/19
- Eingeschränktes Mandat
- Keine Nachforschungspflicht
Leitsätze:
1. Die Pflichten des Steuerberaters ergeben sich zunächst
aus dem Inhalt und dem Umfang seines Mandats. In diesem Rahmen ist der Steuerberater verpflichtet, seinen
Mandanten umfassend zu beraten und sich mit den steuerlichen Gesichtspunkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrages zu beachten sind.
2. Ist dem Steuerberater ein eingeschränktes Mandat erteilt, dann muss er den Mandanten auch vor außerhalb seines Auftrages liegenden steuerlichen Fehlentscheidungen warnen, wenn sie ihm bekannt sind oder für den durchschnittlichen Betrachter auf den ersten Blick ersichtlich sind.
3. Wenn dem Steuerberater Ende 2011 ein beschränktes Mandat zur Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 erteilt worden ist, lag für ihn unabhängig von dem Umstand, dass ihm der Vertrag über den Kauf einer Ferienwohnung im Jahr 2006 bekannt war, im Jahr 2011 mit dem erteilten Mandat keine Nachforschungspflicht wegen eines Umsatzsteuerausweises beim Verkauf dieser Wohnung im Jahr 2009 auf der Hand, da es für die Erstellung der Einkommensteuererklärung nur auf den Veräußerungsbetrag selbst ankam. Da der Steuerberater zudem nicht mit den umsatzsteuerlichen Angelegenheiten der Mandantin betraut war, traf ihn ebenfalls keine weitere Nachforschungspflicht oder eine Pflicht zum Hinweis und zur Vornahme einer Umsatzsteuerkorrektur.
Juni 2022
LG Hagen, Urt. v. 22.4.2020 – 3 O 49/18
- Gewinnausschüttung GmbH an Gesellschafter
- Günstigste Gestaltung
- Schaden
- Gesamtvermögensvergleich
- Konsolidierte Schadenberechnung
Leitsätze:
1. Der Steuerberater, der die GmbH und den Gesellschafter
berät, muss bei Gewinnausschüttungen auf die steuerlich
günstige Gestaltung hinweisen.
2. Die Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag wird
von der GmbH im Wege der Abgeltungssteuer direkt an
das Finanzamt abgeführt. Bei bereits abgeführter Lohnsteuer erhält der Gesellschafter eine Erstattung. Die
GmbH hat nicht mehr als die geplante Gewinnausschüttung gezahlt und der Gesellschafter die erhaltene Nettoausschüttung nicht zusätzlich seiner tariflichen Einkommensteuer unterworfen.
Oktober 2021
BGH, Urt. v. 21.10.2021 – IX ZR 9/21)
• Fehlerhafter steuerliche Beratung
• Vorteile aufgrund Festsetzungsverjährung
• Anrechnung der Vorteile
Leitsätze:
Führt eine fehlerhafte steuerliche Beratung zu steuerlichen Vorteilen, die dem Mandanten wegen Festsetzungsverjährung verbleiben, können diese Vorteile bei wertender Betrachtung im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs schadensmindernd anzurechnen sein.
Juni 2021
LG Münster, Urt. v. 24.10.2018 – 110 O 36/17
• Fehlerhafter Jahresabschluss
• Unrichtige Rückstellungen
• Neue Finanzbuchhaltung
• Klagevortrag
Leitsätze:
1. Die angebliche Fehlerhaftigkeit eines Jahresabschlusses durch die Bildung von Rückstellungen erfordert substanziierten Klagevortrag, in welcher Höhe Rückstellungen hätten vorgenommen werden müssen.
2. Die angeblichen objektiven Unrichtigkeiten des Jahresabschlusses müssen auf einer Fehlleistung des Steuerberaters beruhen.
OLG Hamm, Urt. v. 04.05.2021 – I‑25 U 26/19
• Bescheinigung nach § 27 III KStG
• GmbH als Entrichtungsschuldnerin
• Konsolidierte Schadenbetrachtung
Leitsätze:
1. Die angebliche Fehlerhaftigkeit eines Jahresabschlusses durch die Bildung von Rückstellungen erfordert substanziierten Klagevortrag, in welcher Höhe Rückstellungen hätten vorgenommen werden müssen.
2. Die angeblichen objektiven Unrichtigkeiten des Jahresabschlusses müssen auf einer Fehlleistung des Steuerberaters beruhen.
Dezember 2020
OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 29.11.2019 – 17 U 80/19
• Jahresabschlusserstellung
• Drohende Insolvenz
• Hinweispflicht
Leitsätze:
1. Ein Steuerberater, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragt ist, muss einen Vermögensstatus im Sinne einer Überschuldungsbilanz nur auf gesonderten Auftrag erstellen. Kraft seines überlegenen Wissens trifft ihn allerdings die Nebenpflicht, seinen Mandanten auf eine drohende Insolvenz und damit erforderliche Prüfungen hinzuweisen (Fortführung von Senat, Urt. v. 2.9.2011 – 17 U 14/11, SchlHA 2012, 54 = NZG 2012, 307). Die Erforderlichkeit, bei fehlender positiver Fortführungsprognose, den Jahresabschluss ggf. nach Liquidationswerten zu erstellen (hierzu BGH, Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, juris), bleibt hiervon unberührt.
2. Der Hinweispflicht wird genügt, wenn der Steuerberater unmissverständlich die – zunächst bilanzielle – Überschuldung feststellt und seinen Mandanten auf die gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags hinweist. Entscheidet sich der Mandant gleichwohl zur Fortführung seines Unternehmens, ist der Steuerberater zu weiteren Maßnahmen nicht verpflichtet, insbesondere nicht dazu, den Mandanten an dessen Tätigkeit zu hindern, oder dazu, seine Tätigkeit für den Mandanten einzustellen.
3. Aus monatlichen Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) allein werden sich in aller Regel keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Überschuldung eines Unternehmens entnehmen lassen.
Juni 2020
OLG Hamm, Urt. v. 5.2.2018 – 25 U 17/18
• Verzug des Steuerberaters
• Mahnung des Mandanten
• Verzicht auf Mahnung
Leitsätze:
1. Auch wenn eine Steuererklärung nach den gesetzlich geltenden Regelungen bis zum Ablauf bestimmter Fristen beim FA abzugeben ist, gelten diese nur gegenüber dem jeweiligen Steuerpflichtigen, jedoch nicht im Vertragsverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant.
2. Ein sofortiger Verzugseintritt nach Treu und Glauben ist nicht deshalb anzunehmen, weil der Mandant sämtliche ihm obliegenden Mitwirkungshandlungen (die Übergabe sämtlicher Unterlagen) erbracht hat.
3. In der Vereinbarung eines Steuerberaters einer Abgabefrist mit dem FA liegt keine Selbstmahnung i.S.d. § 286 II Nr. 4 BGB, wenn die Vereinbarung mangels rechtsverbindlicher Erklärung von Seiten des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten keine vertragliche Verbindlichkeit in dem zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnis entfaltet.
4. Ein Steuerberater ist verpflichtet, nach besten Kräften mit Rat und Tat im Rahmen des Zumutbaren mitzuwirken, dass der steuerpflichtige Mandant die festgesetzten Fristen für die Abgabe der Steuererklärung einhalten kann. Insoweit ist es dem Steuerberater jedoch nicht zuzumuten, im Hinblick auf ein einzelnes Steuerberatungsmandat weiteres Personal einzustellen. Der Steuerberater ist allerdings dazu verpflichtet, den Mandanten ggf. darauf hinzuweisen, wenn und soweit er nicht (mehr) in der Lage ist, das betreffende Mandat ordnungsgemäß zu erfüllen.
März 2019
LG Oldenburg, Urt. v. 3.9.2019 – 4 O 3865/18
• Führen eines Fahrtenbuchs
• Eingeschränktes Mandat
• Erforderlicher substantiierter Vortrag
Leitsätze:
Bei Verwerfung eines Fahrtenbuchs durch die Finanzverwaltung hat der Mandant bei Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gegen seinen Steuerberater u.a. substantiiert darzulegen, in welchem Umfang sich eine steuerliche Differenz aus der Anwendung der sog. 1%-Regelung zu der Anwendung eines konkreten Nachweises der einzelnen Fahrten ergeben hätte. Es reicht nicht aus, lediglich die ursprünglichen Steuerbescheide ins Verhältnis zu den geänderten Steuerbescheiden zu setzen
OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30.11.2018 – 17 U 20/18)
• Lohnbuchhaltung
• Auftragsumfang
• Werbung im Internet
• Sozialversicherungspflicht
• Beschäftigung eines Rentners
• Verjährungsbeginn
Leitsätze:
1. Ist ein Steuerberater mit der Lohnbuchhaltung beauftragt, muss er – wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden – prüfen, ob ein Fall der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht vorliegt. Bestehen Zweifel, muss er entweder bei seinem Mandanten die erforderlichen Nachfragen stellen – etwa nach dem Bezug einer Altersrente bei Beschäftigung im Rentenalter – oder diesen auf die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines in Fragen des Sozialversicherungsrechts besonders ausgewiesenen weiteren Beraters hinweisen. Welche Maßnahmen der Steuerberater ergriffen hat, muss er bei seiner Inanspruchnahme ggf. im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast darlegen.
2. Gegenüber dem Sozialversicherungsträger hat der Mandant für seinen Steuerberater einzustehen. Im Verhältnis zu diesem obliegt dem Mandanten regelmäßig keine gesonderte Überwachungspflicht.
3. Auch in Fällen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen beginnt der Lauf der Verjährung nicht vor Zugang eines entsprechenden Bescheids des Sozialversicherungsträgers.
November 2019
BGH, Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 307/18
• Weiterleitung von erstatteten Kosten
• Zinsanspruch
• Behandlung von Fremdgeldern
• Schutz des Rechtsschutzversicherers
Leitsatz:
§ 43a Abs. 5 Satz 2 BRAO ist kein Schutzgesetz im
Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Rechtsschutzversicherers.
August 2019
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.7.2019 – 23 U 180/18
• Eingetragene Lebenspartner
• Zusammenveranlagung
• Einlegung einer Verfassungsbeschwerde
• Einspruchseinlegung
• Verlassen auf Verfassungsmäßigkeit der Steuergesetze
Leitsatz:
Die bloße Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des BFH, der seinerseits eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht nicht als notwendig erachtet hat, begründet noch keine vertraglichen Hinweispflichten eines Steuerberaters an seinen Mandanten.
OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2019 – I‑25 U 18/18
• Kenntnis der Rechtsprechung und Gesetzgebung
• Pflichtlektüre
• Ungeklärte Rechtslage
• Kenntnisabhängige Verjährung
Leitsatz:
Zu einer Auswertung der in der DStR veröffentlichten
finanzgerichtlichen Urteile besteht dann eine Verpflichtung, wenn es zu bestimmten Problemen oder gesetzlichen Regelungen noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Zur Informationspflicht gehört dann
auch die Lektüre von Standardkommentaren.
BGH, Urt. v. 2.5.2019 – IX ZR 11/18
• Finanz- und Lohnbuchhaltung
• Dienste höherer Art
• Fristlose Kündigung
Leitsätze:
1. Schuldet der Dienstverpflichtete die Fertigung der Finanz- und Lohnbuchhaltung, handelt es sich nicht um Dienste höherer Art.
2. Wird der Steuerberater mit steuerlichen Angelegenheiten und der Fertigung der Finanz- und Lohnbuchhaltung betraut, kann der Vertrag von dem Mandanten
fristlos gekündigt werden, auch wenn der Steuerberater bis zur Kündigung ausschließlich Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanz- und Lohnbuchhaltung entfaltet hat
April 2019
BGH, Urt. v. 6.12.2018 – IX ZR 176/16
• Rat zu Vertragsschluss
• Eigene wirtschaftliche Vorteile aus Vertragsschluss
• Anscheinsbeweis
• Schadenberechnung (BGH, Urt. v. 6.12.2018 – IX ZR 176/16)
Leitsätze:
- Der steuerliche Berater handelt seinem Mandanten gegenüber pflichtwidrig, wenn er diesen zu einem Vertragsschluss mit einem Dritten veranlasst, ohne zu offenbaren, dass für ihn wirtschaftliche Vorteile mit einem solchen Vertragsschluss verbunden sind. Beweispflichtig für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist der Mandant, dem die Beweiserleichterung im Sinne des Anscheinsbeweises zugute kommen kann.
- Tätigt der über die wirtschaftliche Beteiligung seines Beraters an dem eine steuersparende Anlage vermittelnden Unternehmen nicht aufgeklärte Mandant mehrere Anlagen, ist der Schaden unter Einbeziehung aller Anlagen zu berechnen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 18.10.2018 – III ZR 497/16, WM 2018, 2179).
OLG Köln, Beschl. v. 12.11.2018 – 16 U 84/18
• Auftragsumfang
• Bevorstehende Gesetzesänderung
• Übertragung von KG-Anteilen (OLG Köln, Beschl. v. 12.11.2018 – 16 U 84/18)
Leitsatz:
Zum Umfang der Pflichten des Steuerberaters bei möglicherweise bevorstehenden Gesetzesänderungen
„Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten möglichst vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen. Die mandatsbezogen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich ungesäumt verschaffen. Neue oder geänderte Rechtsnormen hat er in diesem Rahmen zu ermitteln. Wird in der Tages- oder Fachpresse über Vorschläge zur Änderung des Steuerrechts berichtet, die im Falle ihrer Verwirklichung von dem Mandanten des Beraters erstrebte Ziele unter Umständen vereiteln oder beeinträchtigen, kann der Steuerberater gehalten sein, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher Überlegungen zu unterrichten, um danach prüfen zu können, ob es geboten ist, dem Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten.“